TV Essen-Ost über 100 Jahre alt und immer noch aktiv
Rückblick auf das sportliche und gesellige Leben
Mehrere junge Männer gründeten 1888 unseren Turnverein. Essen hatte zu dieser Zeit erst 75000 Einwohner. Turnhallen gab es ja noch nicht, aber man wusste sich zu helfen. Im Saal der Gaststätte Schwanenbusch wurde geturnt und Gewichtheben und Ringen geübt. Im Garten der Gaststätte fanden die ersten Leichtathletik-Wettkämpfe statt. Die Sportgeräte konnten nur durch Spenden angeschafft werden.
Nach 20 Jahre – also 1908 – wurde, der Musik der damaligen Zeit entsprechend, ein Trommel- und Pfeifenkorps ins Leben gerufen, das zu jedem Turnfest aufspielte.
Sein 25 jähriges Bestehen feierte unser Verein 1913. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung fand damals ein Festzug durch die geschmückten Straßen rund um den Wasserturm statt. Viele Essener Vereine und die Turnvereine Stoppenberg und Kettwig (gehörten damals noch nicht zu Essen) beteiligten sich.
Unsere erste Turnhalle bezog unser Verein 1917 an der neu erbauten Viktoriaschule. Mit großer Freude wurde mit allen Turn und Sportgeräten von der Gaststätte Schwanenbusch zur Turnhalle umgezogen.
Die größten Erfolge unseres Vereins erzielte die von 1912 – 1943 bestehende Handballabteilung, die meistens 7 Mannschaften stellte. Die Jugendmannschaft war mehrere Jahre Stadtmeister und die 1. Mannschaft spielte sogar einige Jahre in der höchsten Spielklasse.
Der Verein hatte aber auch noch andere Gruppen. Da gab es sogar eine Zeit lang Ringer, Gewichtheber und Schwimmer. Natürlich darf ich die Leichtathletik nicht vergessen. Auf vielen Deutschen Turnfesten (z.B. in München 1923, in Köln 1928, und in Stuttgart 1933) nahmen jeweils 20 – 40 Mitglieder an Wettkämpfen teil und erzielten gute Erfolge. Aber dann kam 1939 der 2. Weltkrieg und aus unserer Turnhalle wurde ein Kornlager. Der gesamte Turnbetrieb wurde eingestellt.
Als das Deutsche Turnfest 1963 in Essen stattfand, kam der Gedanke auf, den Turnverein wieder ins Leben zu rufen. Nach umfangreicher Werbung (u.a. 1500 Werbezettel) und mehreren Zeitungsartikeln übertraf der erste Ansturm alle Erwartungen und nach kurzer Zeit war der Mitgliederbestand bereits auf 345 angewachsen.
Im Jahr 1964 wechselten wir von der Viktoriaschule zur Turnhalle der neu erbauten Friedensschule und erhielten einen weiteren Übungsabend. Zu der Zeit wurde die Krabbelriege (Mutter und Kind) gegründet. Viel Erfolg verzeichneten in diesem Jahr unsere 3 Faustballmannschaften auf der Schillerwiese. Mit Beginn der Sommersaison 1972 fuhren jeden Dienstag oft bis zu 30 Personen (Männer, Frauen und Kinder) zum Leichtathletiktraining zur Schillerwiese.
Die Eröffnung unseres Freizeitgeländes am Baldeneysee fand am 29.05.1975 mit 19 Personen statt und bereits beim Sommerausklang waren 50 Personen anwesend. In den vergangenen 30 Jahren haben dort viele Feste, Turniere und Wettkämpfe (Kinderfeste) stattgefunden. Auch in unsere Vereinshütte gab es viel feuchtfröhliches Beisammensein. Es ist jammerschade, dass der Besuch dieser schönen Sportstätte in den letzten Jahren so nachgelassen hat.
Ein wichtiger Wechsel der Turnhalle fand im Jahr 1976 statt. Nachdem man uns zunächst nach Kray und Steele verlegen wollte, erhielten wir nach unserem massiven Widerstand die neu erbaute Turnhalle der Hauptschule an der Wächtlerstraße. Die dort neu zugeteilten Übungsstunden nutzten wir für die Gründung der Gruppen Senioren-Gymnastik, Volleyball und Tanzen. Wir mussten die alte Halle für den Versehrtensportverein frei machen.
Es wurden aber nicht nur fleißig die Übungsstunden besucht, sondern auch zahlreiche Wettkämpfe bestritten. So fuhren wir mit Bussen zu Wettkämpfen zum Kaiserbergturnfest nach Duisburg und zum Landesturnfest nach Bonn. Leichtathletische Wettkämpfe absolvierten viele Mitglieder auch auf den Sportplätzen Eigene Scholle, an der Turnfesthalle und am Hallo in Stoppenberg. Wir nahmen auch mit 20 bzw. 10 Personen an den Deutschen Turnfesten 1987 in Berlin und 1990 in Dortmund/Bochum teil. Viele Mitglieder machten auch jedes Jahr das Sportabzeichen.
Außer den jährlichen Wanderungen am 1. Mai zu unserer „Wiese“ nahmen wir auch mit Erfolg mehrere Male am Wandertag des Tv. Kettwig teil.
Einige Gruppen unsers Vereins (Hallenfußball, Badminton, Volleyball) veranstalteten jedes Jahr Turniere in Großturnhallen. Alle Gruppen organisierten selber jährlich eine Wochenendfahrt und der Verein fuhr u.a. mit ca. 30 Personen mit dem TuS Rüttenscheid zusammen zum “Rhein in Flammen“ nach Koblenz (ein unvergessliches Erlebnis).
Außer unserer sportlichen Betätigung gab es von ca. 1970 – 1988 aber auch noch karnevalistische Veranstaltungen, die immer großen Anklang fanden. Das fing an im Gesellschaftszimmer der Gaststätte Mosen mit 30 Personen und ging dann weiter zu „Sternquelle“ mit 60 Personen. Da der Andrang der Teilnehmer immer größer wurde, wechselten wir zur Gaststätte „Hubertusburg“. Dort haben wir viele Jahre mit 80 – 100 Personen herrliche, fröhliche Stunden verlebt. Aber der ganz große Wurf gelang uns erst, als wir den Saal im Kolpinghaus am Karnevalssamstag bekommen konnten. Alle Gruppen machten mit und boten 3 Stunden ein tolles Programm aus eigenen Reihen. Nach einigen Jahren platzte auch dieser Saal mit über 200 Personen aus allen Fugen. Aber nur kurze Zeit, dann wollten wohl plötzlich viele vom Karneval nicht mehr wissen und wir mussten diese herrliche Veranstaltung aufgeben.
Und nun zu der größten und schönsten Feier, die ich in diesem Verein erlebt habe. Das war unsere Feier zum 100jährigen Bestehen. Das fing zwar schlecht an, endete aber sehr erfolgreich. Nachdem der Versuch, das Fest mit einem Festausschuss zu organisieren scheiterte, entschlossen wir mit wenigen Vorstandmitgliedern den Versuch zu wagen. Im Festjahr wurden insgesamt 11 Veranstaltungen durchgeführt. Über die zwei größten möchte ich hier kurz berichten:
Der Tag der offenen Tür fand am 12. März 1988 in der Großturnhalle des NOGymnasiums statt. An diesem Tag stellten sich alle Gruppen des Vereins in einem bunten Programm mit ihren sportlichen Darbietungen vor. Das war wirklich überzeugend und begeisternd. Schätzungsweise haben dabei 200 Aktive mitgemacht und weitere 150 begeisterte Zuschauer saßen auf der Tribüne. Da das NO-Gymnasium (Katzenbruchstr.) mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht zu erreichen ist, hatten wir bei der EVAG einen Bus bestellt, der ständig zwischen dem Wasserturm und dem Gymnasium für Aktive und Zuschauer pendelte. Es war ein gelungener Auftakt des Jubeljahres.
Das 100jährige Gründungsfest fand am 29. Oktober 1988 im Saalbau statt. Der Kammermusiksaal gab den festlichen Rahmen. Er war bis auf den letzten Platz mit über 300 Personen besetzt. Da unsere eigenen Gruppen wohl der Mut verlassen hatte, als sie hörten, sie sollten im Saalbau auftreten, bemühten wir uns für die Programmgestaltung bei anderen Vereinen. So erklangen fröhliche Lieder vorgetragen vom Frauenchor Sanssouci. Die Frauen-Gymnastikgruppe vom ETB-Schwaz-Weiß zeigten meisterliche Übungen mit Seilchen, Bändern und Reifen und tanzten später unter großem Beifall wie ein Pariser Ballett „CAN – CAN“. Dann zeigten 3 Tanzpaare des Tanzclubs Casino Blau-Gelb Essen Standard- und Latain-Amerikaische Tänze in fast profihafter Darbietung. Der Höhepunkt des Abends war jedoch – am Beifall gemessen – der Auftritt von 3 wirbelnden Rock’n-Roll-Paaren. Das war eigentlich alles – Artistik und Tanz in Perfektion. Eine Augenweide für Herz und Ohr, dargeboten vom „Essener Rock’n-Roll-Club“. Die Stimmung war ausgezeichnet und am Ende verließen alle begeistert das Fest.
Aber nicht nur unsere Mitglieder feierten bei unserem Gründungsfest, auch viele Senioren der anderen Essener Turnvereine (Vereinigung ältere Turnerinnen und Turner) kamen auf unsere Einladung zu einem “Bunten Nachmittag“ auf unsere Wiese. Es waren, man glaubt es kaum 225 Senioren. Zusätzliche Tische und Stühle wurden per LKW herangeschafft. So viele Menschen sind von uns noch nie bewirtet worden. Das Kaffeetrinken war vorher organisiert und fand im Fischerhaus und im Bootshaus des Tv. Kupferdreh statt. 25 Helferinnen und Helfer unseres Vereins betreuten dann bei herrlichem Sonnenschein die „ALTEN“ bei Spielen, Gesang und Kegeln auf unserer selbst gebauten Kegelbahn. Für Essen und Trinken war natürlich bestens gesorgt, wenn auch manches zusätzlich besorgt werden musste. Es war später Abend, als die Letzten, einem Tag so recht nach dem Herzen der „ALTEN“, Ade sagten. Im Namen des Bundespräsidenten überreichte unserem Verein am 28. Mai 1989 der Kultusminister NRW zum 100 jährigen Bestehen in einer Feierstunde auf Schloss Benrath die “Sportplakette des Bundespräsidenten“.
Fritz Dierkes